Es braut sich etwas zusammen: ein schwaches Wachstum der Wirtschaft, hohe Inflation, steigende Zinsen und eine strengere Kreditvergabe der Banken treffen besonders kleinere Unternehmen, Handwerker, Freiberufler und Soloselbständige.
Stagnierende Wirtschaft als Folge der Krisen
In den letzten Jahren belasteten gleich mehrere Krisen die Wirtschaft. Auf den Corona-Schock, der Teile der Wirtschaft über Monate komplett lahmlegte, folgten damit zusammenhängende Lieferengpässe. Kaum zeichnete sich hier eine gewissen Entspannung ab, folgte der Überfall Russlands auf die Ukraine. Die damit zusammenhängende Explosion der Energiepreise trug zu einem raschen Anstieg der allgemeinen Preise bei. Auch wenn die deutsche Wirtschaft bisher relativ robust durch die vielen Krisen gekommen ist, ist das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt seit vier Jahren insgesamt nur wenig gewachsen. Ob es 2023 zu einer leichten Rezession kommen wird, oder ob „nur“ ein weiteres Jahr Stillstand droht, ist unter Konjunkturexperten umstritten. Fest steht: schnelles Wachstum ist nicht in Sicht.
Hohe Inflation bei geringem Wachstum
Besonders die jüngeren Unternehmerinnen und Unternehmer kennen Inflation und hohe Zinsen nur aus den Geschichtsbüchern. Im Jahr 2022 stiegen die Verbraucherpreise um 7,9 Prozent im Jahresmittel, im Spitzenmonat November lag die Teuerungsrate der Verbraucherpreise sogar bei über 10 Prozent. Ein Anstieg der Verbraucherpreise um 5 Prozent wurde zuletzt 1992 erreicht, ähnlich hohe Werte gab es während der Ölpreiskrise 1973 mit 7,1 Prozent. Noch stärker stiegen die Großhandelspreise, die Erzeugerpreise und die Einfuhrpreise. Dies bedeutet, dass der Einkauf von Waren und Dienstleistungen für die Unternehmen sogar noch teurer wurde, als es der Verbraucherpreisindex signalisiert.
Steigende Zinsen und strengere Kreditvergabe
Zur Bekämpfung der hohen Teuerungsraten, waren die Notenbanken zu Zinserhöhungen gezwungen. Auch hier fehlt vielen Unternehmen die Erfahrung. Der Leitzins der EZB stieg im Februar 2023 auf 3,0 Prozent – ähnlich hohe Leitzinsen gab es zuletzt vor über 15 Jahren. In der Spitze werden bis Ende 2023 Zinsen von bis zu 4 Prozent erwartet. Als Folge werden Neufinanzierungen und Anschlussfinanzierungen für Unternehmen teurer. Da die Banken auch höhere Ausfallrisiken sehen, reagieren sie neben teureren Konditionen zusätzlich auch mit strengeren Richtlinien bei der Kreditvergabe, wie die Deutsche Bundesbank jüngst meldete. Das bedeutet, dass die Hausbanken Kreditanfragen strenger prüfen, Sicherheiten anders bewerten und mehr Kreditanträge ablehnen. Auch eine Kürzung bestehender Kreditlinien kann drohen.
Besonders Soloselbständige und kleine Unternehmen sind auf die Inflation und steigende Zinsen schlecht vorbereitet. Einerseits fehlt es an konkreter Erfahrung im Umgang mit der Inflation, andererseits sind in den Unternehmen keine Finanzfachleute beschäftigt. Aktuell kämpfen Unternehmen mit folgenden Problemen:
- Die hohen Strom-, Öl- und Gaspreise belasten zwar alle Unternehmen, energieintensive Branchen sind von den steigenden Energiekosten aber in ihrer Existenz bedroht. Neben bestimmten Industriezweigen sind bei Selbständigen, kleinen und mittleren Unternehmen und im Handwerk besonders Textilreinigungen und Wäschereien, Bäcker und Metzger, Gießereien, Galvanisierbetriebe, Kunstschmiede, Juweliere, Frisöre, Bäder und Saunen sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe betroffen.
- Eingekaufte Waren und Dienstleistungen werden teurer oder schwanken stark in den Preisen. Weil die Teuerung unterschätzt wird, kommt es zu Fehlkalkulationen.
- Mitarbeiter stellen mit dem Hinweis, „dass jetzt alles teurer wird“ hohe Gehaltsforderungen. Die aktuellen Arbeitskämpfe können Sie jeden Abend in den Nachrichten verfolgen.
- Zwei weitere Effekte sind nicht sofort sichtbar und wird häufig unterschätzt, obwohl sie brandgefährlich sein können. Die Zahlungsmoral der Kunden sinkt, die Zahl der Insolvenzen steigt. Zahlungsverzögerungen und Zahlungsausfälle sind die Folge. Dadurch kann es zu einer Kettenreaktion kommen.
- Verzögern sich Zahlungseingänge oder fallen sie sogar ganz aus, dann ist der Ausgleich der fehlenden Liquidität durch kurzfristige Finanzierung teuer und kann das Problem weiter verschärfen.
Gegenmaßnahmen einleiten
Eines vorweg: In einem Internetbeitrag kann ich Ihnen kein Patentrezept liefern. Die Situation ist von Branche zu Branche und von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Betrachten Sie die folgenden Tipps deshalb als Anhaltspunkte und leiten Sie umgehend Gegenmaßnahmen ein – je früher desto besser.
Handlungsfeld Energiekosten
Falls die Energiekosten ihr dringendstes Problem ist, bestehen für kleine Unternehmen kurzfristig leider nur wenig Handlungsalternativen. Dennoch sollten einige Maßnahmen auf den Prüfstand:
- Neben den Gaspreis- und Strompreisdeckeln, die auch für Privathaushalte gelten, gibt es keine staatlichen Hilfen für Kleinbetriebe, da sich die Programme der Bundesregierung an die Großkonzerne richten.
- Prüfen Sie Ihre Gas- und Stromlieferverträge. Dazu können Sie Vergleichsportale benutzen, die aber für Gewerbekunden nicht alle Tarife hinterlegt haben. Eine Alternative zu den Vergleichsportalen sind auf Gewerbekunden spezialisierte Energiemakler.
- Kleine Energiesparmaßnahmen können Sie auch selbst umsetzen: Das reicht von einer Absenkung der Raumtemperatur über den Austausch von Leuchtmitteln bis hin zum energieeffizienten Lüften. Noch immer sieht man gelegentlich stundenlang gekippte Fenster über einer aufgedrehten Heizung. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und motivieren Sie Ihre Mitarbeiter.
- Wenn Sie ihren Fuhrpark elektrifizieren wollen, müssen Sie schnell handeln, den bereits im August läuft die Förderung für Firmenfahrzeuge aus.
Um mittelfristig Einsparungseffekte zu erzielen, sollten Sie einen Energieberater hinzuziehen, der mit Ihnen individuelle Energieeinsparmöglichkeiten prüfen kann. Je nach geplanter Maßnahme sind für die Energieberatung und die Investitionen Zuschüsse und Förderkredite möglich. Für die energieeffiziente Sanierung von Betriebsgebäuden gibt es Zuschussprogramme, für den Neubau hat die KfW ab 1. März 2023 einen Förderkredit aufgelegt.
Preise von Waren und Fremdleistungen
Im Gegensatz zu Großunternehmen haben kleine und mittlere Unternehmen nur einen geringen Spielraum beim Einkauf von Vorprodukten. Deshalb bleibt als einzige Alternative das Mittel der Preiserhöhung. Viele Unternehmen haben in den letzten Monaten auch Preiserhöhungen durchsetzen können. Gerade bei kleinen Unternehmen orientieren sich die Preiserhöhungen am „Bauchgefühl“ oder am Verbraucherpreisindex, weil der in den Nachrichten im Vordergrund steht. Aber reichen Ihre Preiserhöhungen auch aus, um Ihre gestiegenen Kosten zu kompensieren?
Zunächst müssen Sie erkennen, an welcher Stelle Ihre Einkaufspreise steigen: sind es die Waren und Fremdleistungen, die Personalkosten oder die sonstigen Kosten, die sich relativ zu Ihrem Umsatz verteuern? Hier empfehle ich Ihnen die betriebswirtschaftliche Auswertung zeitnah zu analysieren, um zu erkennen wo der Schuh drückt. Wenn zum Beispiel die Rohertragsquote sinkt, ist der Einsatz an Waren und Fremdleistungen stärker gestiegen als der Umsatz – sie konnten dann die Preiserhöhungen Ihrer Lieferanten nicht in vollem Umfang weitergeben.
Handlungsfeld Mitarbeiter
Auch Ihre Mitarbeiter sind von den steigenden Preisen betroffen und auch wenn Ihre Angestellten nicht gewerkschaftlich organisiert sind, wirken die hohen Lohnforderungen der großen Gewerkschaften nach. Doch was wollen die Mitarbeiter eigentlich? Mehr Geld am Ende des Monats. Eine pauschale Erhöhung des Bruttolohns freut den Fiskus und die Sozialversicherungen, bei Ihnen treibt es die Lohnnebenkosten nach oben und bei den Mitarbeitern kommt nur ein Teil an. Rechnen Sie als erstes durch, ob Ihr Betrieb eine Lohnerhöhung überhaupt verkraften kann und kommunizieren Sie offen mit den Mitarbeitern. Vor einer pauschalen Erhöhung des Bruttolohns, sollten Sie steuerfreie Gehaltsextras und insbesondere die Inflationsausgleichsprämie einsetzen, da dafür weder Einkommensteuer noch Sozialabgaben anfallen.
Zusammenfassung
Das Zusammenspiel aus schwachem Wachstum, hoher Inflation (insbesondere bei Energiekosten und Vorleistungen), steigenden Zinsen und eine strengere Kreditvergabe der Banken können für einige Betriebe existenzbedrohend sein – insbesondere wenn das Unternehmen von allen Faktoren gleichzeitig betroffen ist. Doch auch alle anderen Betriebe müssen sich mit den geänderten Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Die wichtigsten Handlungsfelder sind die Energiekosten kurz- und mittelfristig zu senken, sowie teurere Vorleistungen und Mitarbeiterlöhne in die Preiskalkulation einzubeziehen, weil diese Positionen die größten Preistreiber darstellen. Eine genaue Analyse der eigenen betriebswirtschaftlichen Lage und genaue Vor- und Nachkalkulation im Zeitreihenvergleich schafft Klarheit. Gerne können Sie dazu auch meine Unterstützung in Anspruch nehmen.
Titelgrafik: Mohamed Hassan auf Pixabay