Deutschland im Bürokratie-Wahnsinn

Als ich in den 1990er Jahren mein erstes Unternehmen gründete, war das Leben für Unternehmer noch deutlich einfacher. Man hatte eine Steuernummer, und falls man zu den eintragungspflichtigen Unternehmen zählte, einen Handelsregistereintrag. Das war’s. Es war eine Zeit, in der man sich als Unternehmer auf das Wesentliche konzentrieren konnte: sein Geschäft aufbauen, Kunden gewinnen, Innovationen vorantreiben. Die Bürokratie war zwar auch damals präsent, aber sie hielt sich noch in einem erträglichen Rahmen.

Der Beginn des Bürokratie-Wahnsinns

Doch in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich einiges verändert. Im Jahr 2008 kam die Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) dazu. Kurz darauf mussten wir uns auch noch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr) merken, die seit 2009 für Unternehmen mit grenzüberschreitender Tätigkeit unerlässlich ist. Dann, im Jahr 2017, wurde das Transparenzregister eingeführt. Unternehmen (und Vereine) müssen nun zusätzlich zur Handelsregistereintragung auch noch ihre wirtschaftlich Berechtigten im Transparenzregister angeben. Man könnte meinen, wir hätten nun genug Transparenz erreicht, um durch jeden noch so undurchsichtigen Dschungel an Bürokratie zu blicken. Aber weit gefehlt.

Die nächste Streich: Wirtschaftsidentifikationsnummer, Wirtschaftsnummer und Unternehmensbasisdatenregistergesetz

Als ob das nicht schon genug wäre, steht nun die Einführung der Wirtschaftsidentifikationsnummer (Wirtschafts-ID) bevor, die ab November 2024 Realität wird. Diese neue Nummer soll Unternehmen bei der Identifikation gegenüber Finanzbehörden und anderen Stellen dienen. Man könnte meinen, dass eine weitere Nummer im bürokratischen Portfolio die Unternehmen entlastet. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn wer mehrere wirtschaftliche Aktivitäten betreibt, bekommt gleich mehrere Wirtschafts_IDs. Und was sagt das Bundeszentralamt für Steuern dazu:

“Die Wirtschafts-Identifikationsnummer gilt gleichzeitig auch als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer nach dem Unternehmensbasisdatenregistergesetz.”

Damit wäre dann ja alles klar – oder nicht?

Elektronische Meldepflichten: Eine weitere Belastung

Als wäre der Wust an Nummern nicht genug, kamen im Laufe der Jahre auch noch zahlreiche elektronische Meldepflichten hinzu. Selbst Kleinstbetriebe müssen ihre Einnahmen-Überschuss-Rechnung elektronisch übermitteln. Und dann folgte die E-Bilanz, die für viele Betriebe eine zusätzliche Bürde darstellte. Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) kam ebenfalls hinzu, was für eine weitere Erhöhung der administrativen Belastung sorgte.

Diese Meldepflichten wurden uns als Fortschritt verkauft, als Schritte in Richtung Digitalisierung und Effizienz. Doch für viele Unternehmer, insbesondere kleinere Betriebe, bedeutet diese „Modernisierung“ vor allem eines: Mehr Arbeit und weniger Zeit für das eigentliche Geschäft. Statt sich auf Innovation und Wachstum zu konzentrieren, müssen sie ihre Energien darauf verwenden, fristgerecht und korrekt elektronische Meldungen abzugeben. Jeder Fehler kann teuer werden – in einem System, das mehr darauf ausgelegt zu sein scheint, Unternehmen zu überwachen, als sie zu unterstützen.

Die Belastung für den Mittelstand

Gerade für kleine Unternehmen und Einzelunternehmer wird der Bürokratie-Dschungel zunehmend unüberschaubar. Für große Konzerne mag das Management dieser verschiedenen Identifikationen nur ein weiteres kleines Zahnrad in ihrem gut geölten Bürokratie-Apparat sein. Aber für kleinere Betriebe, die nicht über dieselben Ressourcen verfügen, bedeutet jede neue Nummer und jede weitere Meldepflicht eine zusätzliche Belastung.

Ich sehe, wie viele Einzelunternehmer und kleinere Betriebe zunehmend demotiviert werden. Die Freude am Unternehmertum weicht oft einer Erschöpfung, die aus dem permanenten Kampf mit immer neuen bürokratischen Hürden resultiert. Anstatt ihre Energie in ihre eigentliche Arbeit zu stecken, verbringen sie wertvolle Stunden damit, durch den Dschungel aus Steuernummern, Steuer-IDs, USt-IdNr, Transparenzregister, elektronischen Meldungen und bald auch der Wirtschafts-ID zu navigieren.

Eine Digitalisierung, die nur den Behörden hilft?

Die Digitalisierung sollte eigentlich Entlastung bringen. Doch diese Art der Digitalisierung scheint in erster Linie den Behörden zu helfen – wenn überhaupt. Schließlich ist fraglich, ob auch sie noch den Überblick in diesem Wust an Identifikationsnummern und elektronischen Meldepflichten behalten. Der Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft, wird hingegen immer mehr in ein Netz aus Vorschriften, Nummern und Meldungen verstrickt, das oft mehr Verwirrung stiftet als es löst.

Viele Vorgaben kommen aus der EU

Viele der bürokratischen Lasten, die auf den Schultern der Unternehmen liegen, kommen aus Brüssel. Dort werden immer neue Richtlinien ausgearbeitet, die dann in den nationalen Gesetzgebungen integriert werden. Was ursprünglich als Vereinfachung gedacht war, hat sich längst zu einem undurchdringlichen Dschungel entwickelt, in dem sich selbst die erfahrensten Bürokraten manchmal verirren.

Fazit: Der Weg ins Bürokratie-Nirwana

Und so marschieren wir weiter, unaufhaltsam hinein in das Bürokratie-Nirwana. Eine Nummer nach der anderen, eine Meldepflicht nach der nächsten. Wo bleibt der versprochene Bürokratieabbau? Der Mittelstand, einst das Rückgrat unserer Wirtschaft, wird dabei langsam aber sicher in die Knie gezwungen. Vielleicht geht der letzte kleine Unternehmer eines Tages nicht an harten Wettbewerbsbedingungen, zugrunde, sondern an der schieren Last des Papierkrams.

Titelbild und Illustration erstellt mit Dall-E

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